Die unsichtbaren Prinzipien des Taijiquan: Der verborgene Schatz der inneren Kampfkunst
- Samuel Tanner
- 11. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Juli
Die wahren Schätze des Taijiquan liegen nicht in der Ästhetik der Form, sondern in den inneren Prinzipien: Entspannung, Aufrichtung, Ganzkörperkoordination und mehr. Erfahre, wie du diese Prinzipien Schritt für Schritt integrieren kannst – und warum sie Taijiquan zur lebendigen Kampfkunst machen. Entdecke Taijiquan in Luzern.

Ein Blick unter die Oberfläche
Wer eine Taijiquan-Form beobachtet, sieht geschmeidige, langsame Bewegungen – fliessend, ruhig, vielleicht anmutig. Doch das Wesentliche bleibt meist verborgen: Es sind die inneren Prinzipien, die die Bewegung führen, nähren und mit Bedeutung aufladen. Ohne diese Prinzipien ist Taijiquan nur schöne Gymnastik. Mit ihnen wird es zu einer Kunst – und einer lebendigen, praktischen Philosophie.
Unsichtbar und doch zentral: Die Prinzipien im Taijiquan
Viele dieser Prinzipien sind von aussen kaum sichtbar. Sie betreffen nicht nur den Körper, sondern auch Geist und Haltung. Hier sind einige der wichtigsten Prinzipien – nicht als Dogmen, sondern als Einladung zur Erfahrung:
1. Entspannt üben – aber nicht schlaff
Entspannung ist die Grundlage für alles Weitere. Doch „Entspannung“ (im Chinesischen oft mit „Sōng“ bezeichnet) bedeutet nicht Passivität oder Erschlaffung, sondern eine lebendige, durchlässige Kraft. Man lässt los, was unnötig ist – nicht mehr, nicht weniger. Nur in diesem Zustand kann sich innere Kraft entfalten. Als Beispiel kann man sich vorstellen, dass das Gewicht einer Fliege reicht, um z.B. einen Arm zu senken, sowenig Kraft sollten wir aufbringen.
2. Aufgerichtet sein und gleichzeitig sinken
Das Gefühl, „am Kopf an einem Faden aufgehängt“ zu sein, wird oft vermittelt – kombiniert mit dem leichten Sinken des Beckens, als würde man sich auf einen imaginären Hocker setzen. So entsteht eine natürliche Streckung der Wirbelsäule. Es ist ein Gleichgewicht zwischen Leichtigkeit und Erdung, zwischen Heben und Sinken – zwischen Yin und Yang.
3. Der ganze Körper bewegt sich als Einheit
Im Taijiquan soll keine isolierte Bewegung stattfinden. Wenn sich die Hand bewegt, dann weil sich der ganze Körper bewegt. Es ist eine Wellenbewegung, die aus der Mitte kommt, sich durch die Beine erdet und über den Rücken bis in die Fingerspitzen fliesst.
4. Bewegung aus dem Zentrum
Das Zentrum (Dantian) ist nicht nur ein imaginärer Punkt im Unterbauch, sondern ein konkretes Koordinationszentrum. Von hier aus beginnen die Bewegungen, hier sammeln wir Kraft. Je mehr wir aus dem Zentrum agieren, desto klarer und effizienter wird unser Handeln.
5. Drehbewegung um eine zentrale Achse
Viele Bewegungen im Taijiquan sind spiralförmig oder rotierend – oft unmerklich. Man stellt sich vor, sich wie eine Spirale oder eine Spindel um die eigene Mittelachse zu drehen, wobei der Kopf ruhig bleibt, als wäre er über einen unsichtbaren Faden aufgehängt.
6. Voll und leer unterscheiden
Was auf den ersten Blick banal klingt, ist eine zentrale Fähigkeit: zu wissen (und zu spüren), welches Bein das Gewicht trägt – und welches nicht. Dieses Prinzip schafft Klarheit, Stabilität und Mobilität zugleich. Es bildet die Grundlage für Gleichgewicht und Kampfkunstfähigkeit.
7. Langsamkeit und Gleichmässigkeit
Die Bewegungen im Yangstil-Taiji sind nicht einfach langsam – sie sind gleichmässig, ohne Rucke, ohne Eile, ohne Unterbrechung. So schulen wir Geduld, Bewusstsein und die Fähigkeit, feinste Veränderungen zu spüren – in uns und in unserer Umgebung.
8. Kraft kommt aus den Beinen, wird durch die Mitte übertragen und in die Arme abgegeben
„Die Beine sind die Wurzeln, die Taille lenkt, und die Hände folgen“, sagt ein altes Taiji-Sprichwort. Wenn dieser Ablauf stimmt, ist die Bewegung mühelos und kraftvoll zugleich.
9. Bewegung endet synchron
Ein häufig übersehenes Prinzip: Am Ende einer Bewegung sollte der gesamte Körper gleichzeitig einen kurzen Moment zum Stillstand kommen. Wenn ein Teil „nachzuckt“ oder früher stoppt, ist die innere Verbindung unterbrochen. Synchronität erzeugt Geschlossenheit – ein wichtiges Prinzip sowohl für die Gesundheit als auch für die Kampfkunst.
Wie integriert man diese Prinzipien?
Die Antwort ist einfach – und herausfordernd zugleich: Schritt für Schritt. In unserer Schule in Luzern beginnen wir mit einer kurzen Form – der sogenannten 26er-Form. Diese kompakte Bewegungsabfolge lässt Raum, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: das Spüren, das Entspannen, das Zentrieren.
Im ersten Durchgang lernt man die Form ganz praktisch – wie eine neue Sprache. Danach beginnt der eigentliche Prozess: Die Prinzipien werden Stück für Stück ins Üben integriert. Es ist eine Reise nach innen, bei der nicht die Perfektion der Bewegung zählt, sondern das Erleben der Tiefe.
Ein besonderer Schwerpunkt in unserer Schule liegt auf der Arbeit mit den inneren Prinzipien. Das heisst: Wir schauen nicht nur auf die äussere Bewegung, sondern begleiten dich dabei, Schritt für Schritt auch die Tiefe der Prinzipien zu entdecken – sei es in der Ausrichtung, im Loslassen, im Fluss oder im Zusammenspiel von Yin und Yang.
Gerade diese kontinuierliche Schulung der Prinzipien ist einer der besonderen Qualitäten unseres Unterrichts. Denn wir glauben: Erst durch sie wird Taijiquan lebendig – und wirkt auf Körper und Geist zugleich.
Taijiquan als innere Kampfkunst
Wenn wir die Prinzipien verinnerlichen, beginnt das Taijiquan zu „funktionieren“. Nicht im Sinne spektakulärer Techniken – sondern als eine Form innerer Effizienz. Plötzlich versteht man, wie man mit wenig Kraft viel bewirken kann. Wie man stabil bleibt, während man sich bewegt. Wie man aus der Ruhe heraus reagieren kann – auch im Alltag.
Denn letztlich sind diese Prinzipien nicht nur für die Kampfkunst relevant. Sie sind Werkzeuge für ein Leben in Balance. Wer lernt, voll und leer zu unterscheiden, sich aufrecht und geerdet zu bewegen, bewusst zu atmen und innerlich entspannt zu bleiben, wird davon in jeder Lebenslage profitieren.
Fazit: Die Tiefe liegt im Prinzip
Die Prinzipien des Taijiquan sind wie ein innerer Kompass. Sie führen uns durch die Form – aber auch durch das Leben. Man sieht sie nicht von aussen. Aber man spürt sie. Wer sich darauf einlässt, entdeckt Schritt für Schritt einen Schatz, der weit über das Bewegte hinausreicht.
Probiere es selbst – in Luzern!
Wenn dich die Prinzipien des Taijiquan faszinieren, lade ich dich herzlich ein, es selbst zu erleben. In meiner Schule Yiquan Luzern unterrichten wir mit Herz, Verstand und viel Ruhe – sowohl Anfänger wie auch Fortgeschrittene sind willkommen. Das Training findet jeweils dienstags am Nachmittag und Abend statt. Du kannst jederzeit einsteigen – und sowohl Yiquan als auch Taiji kennenlernen.
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